Vier Monate nach der Stillen Geburt
Der folgende Gesprächsausschnitt stammt aus einer Aufnahme, die wir 2017 vier Monate nach Geburt und Tod unseres Sohnes gemacht haben. Wir waren nach Korsika gefahren, um uns ein wenig zu erholen, merkten aber, dass wir dazu gar nicht imstande waren. Ich blickte auf's Meer und wusste nicht, was ich dort sollte, fühlte mich völlig fehl am Platz. Als frischgebackene Mutter wollte ich dort sein, wo mein Baby war. Und mein Baby lag in Berlin unter der Erde. Wir waren mitten im Verarbeiten, in tiefer Trauer. George konnte sich nur entspannen, indem er anfing Bilder für das Geschehen zu finden, seiner Form des Ausdrucks nachzugehen. Ich begann an meinem Buch zu schreiben, was meine Form des ver-und bearbeitens war. Eines Tages kamen wir auf die Idee uns gegenseitig zu interviewen. Wir wollten nicht schweigen über das, was uns geschehen war. So viele schweigen. Wir wollten uns zeigen, darüber sprechen. Verstorbene Kinder sind ein so großes Tabu in der Gesellschaft. Viele Menschen in unserem Umfeld wussten nicht, wie sie mit uns umgehen sollten, auf uns zugehen sollten. Anstatt zu warten haben wir entschieden, den Schritt nach vorne zu wagen. Nachdem wir das Gespräch aufgezeichnet hatten, haben wir gemerkt, dass das noch nicht die richtige Form war, sondern andere Wege gefunden werden mussten für die filmische Umsetzung. Ich habe mir das gesamte Gespräch, das drei Stunden dauert, seit damals nicht mehr angesehen. Das ist jetzt dreieinhalb Jahre her. Vor ca. einer Woche habe ich mich getraut, es mir jetzt mit ein wenig Abstand doch einmal anzusehen und hatte plötzlich das Gefühl, diesen Abschnitt - auch wenn es mich große Überwindung kostet - zu veröffentlichen, weil er auf eine Art mit der heutigen Zeit zu tun hat. Ein Freund von uns sagt immer so schön: "Man kann nicht am Leben vorbeigehen, sondern immer nur mittendurch."
BERÜHRT – Ein Film von George Inci